Kunstraum Kreuzberg

Aliens are temporary – eine mutierende Erzählung

𝙰𝚞𝚜𝚜𝚝𝚎𝚕𝚕𝚞𝚗𝚐 | 𝟶𝟿.𝟶𝟺.-𝟶𝟼.𝟶𝟼.𝟸𝟶𝟸𝟸

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Zur Ausstellung / Introduction by: Sonia Fernández Pan, Sylvia Sadzinski, Anaïs Senli


Künstler*innen: Ally Bisshop, Sarah Browne, Club Ate (Justin Shoulder & Bhenji Ra), Lúa Coderch, Siouxzi Connor, Ann Cotten, Cruhda, Efe Ce Ele, Denise Ferreira da Silva & Arjuna Neuman, FRKTL, Pakui Hardware, Emily Hunt, Nona Inescu, Lorena Juan, KAYA (Kerstin Brätsch & Debo Eilers), KMRU & Aho Ssan, Vera Kox, Verónica Lehner, hn. lyonga, MELT (Ren Loren Britton & Isabel Paehr), Sofía Montenegro, Jonás de Murias, Silvia Noronha & Niko de Paula Lefort, Itziar Okariz, Lucía C. Pino, Lauren Reid, Naomi Rincón Gallardo, Juli Schmidt, Valeria Schwarz, Anaïs Senli, Eirik Sördal, Alison Sperling, Sally von Rosen, Janaina Wagner, Sadie Weis, Leticia Ybarra, Ran Zhang.

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Aliens are temporaryeine mutierende Erzählung lädt dazu ein, in der Begegnung mit multiplen Seinszuständen und empfindungsfähigen Materiekonstellationen über plurale Welten nachzudenken. In der Vorstellungswelt „des Aliens“ verbünden sich Fiktion und Otherness, um die flüchtige und kontextabhängige Dimension der Alterität zu betonen. Das Mutieren beschreibt schwer greifbare, unbestimmte Zwischenzustände des Daseins, die ständig zu beginnen, aber nie richtig zu enden scheinen. Das Mutieren erinnert uns ebenso daran, dass Leben sich stets im Prozess, in Bewegung und im Austausch vollzieht; Leben ist nicht, was ist, sondern was passiert. Unser vergängliches Märchen hat nicht nur einen, sondern mehrere Anfänge und unterläuft so die narrative Logik der Geschichtsschreibung, zahlloser Erzählungen – und Ausstellungen. Die verschiedenen Einstiege (ko‑)existieren nebeneinander und erzeugen eine materielle Geschichte, in der reine Präsenz und physische Beziehungen auf einer Stufe mit Worten und Diskursen stehen. Durch die organische Dimension des Denkens zeigt der Instinkt den Weg durch die Theorien. Die fragmentarische Vielfalt ungezählter Fiktionen und all der in ihnen entstehenden (un-)möglichen Welten erzeugt auch Widersprüche, die in dieser kollektiven Erzählung willkommen sind.

Im Sinne einer ethischeren Verteilung vom Wert des Lebens und des Lebens selbst distanziert sich Aliens are temporary von einer anthropozentrischen Sicht, die nicht nur einen bestimmten Typus Mensch in den Mittelpunkt der Wirklichkeit rückt, sondern die Welt einer Hierarchie unterwirft. Das Projekt versucht sich im Zwischenraum eines Zusammenlebens zu situieren, in dem einige der Grenzen zwischen „uns“ und den „Anderen“ bewusst verschwimmen sollen. Wenn wir uns der engen Beziehungen bewusst werden, die alle Lebewesen miteinander verknüpfen, und lernen, lebendige Organismen als Systeme permanenter Wechselwirkungen zu verstehen, kann sich im Format der Ausstellung ein Raum öffnen, in dem Präsenzen, Objekte, Praktiken und Gestalten, die einander fremd erscheinen mögen, zu materiellen und geistigen Kompliz*innen werden. Da „wir“ und die „Anderen“ instabile und sich wandelnde Begriffe sind – mit ihren jeweiligen Stärken und Verletzlichkeiten –, will Aliens are temporary auch das Medium der Ausstellung verfremden und dadurch in Frage stellen. Diese Ausstellung ist provisorisch und entwickelt sich ständig fort, sie nähert sich damit der Unmöglichkeit an, eine Realität selbst dann als etwas Ganzes zu erfassen, wenn wir aktiv an ihr beteiligt sind. Wir beharren auf der Schwelle zum fremden Leben und staunen dabei über die Anders-Weise.

Aliens are temporary schafft ein Ökosystem für Künstler*innen, die sich mit alternativen (Kosmo-)Visionen beschäftigen und in der Auseinandersetzung mit otherness und Alterität neue Körper, Identitäten und Lebensweisen in der Welt schaffen. Ihre Arbeiten verbinden verschiedene Wissenspraktiken und schnorren sich Experimentelles, Sinnliches, Haptisches und Ästhetisches von der Kunst. Sie verknüpfen New Materialism, Biologie, Magie, Soziologie, Sound-Fiction, Posthumanismus und Science-Fiction mit spekulativen, vitalistischen und queerfeministischen Perspektiven und verleihen diesen Diskursen eine körperliche Präsenz.

Aliens are temporary – eine mutierende Erzählung durchläuft vier Mutationen und präsentiert eine ihrer Gestalten in der Kunstbrücke am Wildenbruch, die sich zu den drei Mutationen im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien gesellt. Auf diese Weise wuchert das Projekt von einem Ort zum nächsten fort, und über die Entfernung entsteht ein gemeinsamer, intimer Raum. Mit jeder Mutation bevölkern weitere Kunstwerke den zunächst kargen und nur minimal bestückten Ausstellungsraum, wodurch sich sukzessive neue Objektkonstellationen und Ökologien entwickeln. Diese aus einer Unzahl von Wesen und Welten gesponnene materielle Erzählung veranschaulicht, dass sich die Bedeutung der Dinge mit ihrem Kontext mehrt, mindert und verändert. Jede Mutation von Aliens are temporary geht mit einem literarischen Text einher, der sich von den Exponaten inspirieren lässt, die das Ereignis ermöglichen. Sie erweitern den Kreis der kuratorischen Stimmen und unterstreichen die Bedeutung der Dichtung für die Auseinandersetzung mit der Realität. Ein öffentliches Begleitprogramm von becomings mit Vorträgen, einem Lesezirkel, einem Screening, einer Hörsession, einem Gang durch den öffentlichen Raum und einer Kontextinterferenz wird die Lebensgeister der vier Mutationen zusätzlich anfachen. Mit diesem Projekt begrüßen wir euch zu einem Märchen, das folgendermaßen beginnen könnte: „Es war vielmals“.

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Aliens are temporary – a mutating tale is an invitation to think about plural worlds by encountering multiple states of being and sentient constellations of matter. Thanks to the imaginary of “the alien”, otherness and fiction come together again to insist on the transitory and contextual dimension of alterity. The ‚mutating‘ part of this tale relates to states of being that happen in-between, that are slippery, undefined, that always seem to be starting and never quite end. ‘Mutation’ also reminds us that life is always in process, in movement, in exchange; that life is not what is but what happens. By altering the narrative logic with which many histories, stories -and exhibitions- begin, our temporary tale does not begin once, but several times. All these entry points come to (co)exist at the same time to create a material story where sheer presence and physical relationships are as important as words and discourses. Driven by the visceral dimension of thinking, intuition becomes a compass for theories. Inspired by the multiplicity and fragmentation of endless fictional stories and their (im)possible worlds, contradictions are also welcome in this collective tale.

Towards a more ethical distribution of the value of lives and life itself, Aliens are temporary wants to distance itself from human exceptionalism, which not only puts certain human beings at the center of reality but also produces a hierarchical world.The project seeks to place itself in an in-between space of shared life where some boundaries between “us” and “others” are intentionally blurred. By becoming aware of the intimate relationships that connect beings with each other and of the vitality of all bodies as systems of unfolding interactions, the exhibition format provides a space of material and conceptual complicity between presences, objects, practices and forms that may seem distant from each other. Just as the us and the other are unstable and changing notions – each with their respective vulnerability and strength – Aliens are temporary also wants to destabilize the exhibition medium itself, by estranging it. This exhibition exists in a transitory and evolving state, bordering on the impossibility of getting to know a reality as a whole, including those of which we are an active part. By insisting on the alien threshold of life, we wonder about the otherwise.

Aliens are temporary weaves together artists whose works produce alternative (cosmo)visions, creating bodies, identities and ways of inhabiting the world related to otherness and alterity. Their works combine different practices of knowledge, parasitising them from the experiential, sensitive, haptic and aesthetic qualities of art. Through new materialism, biology, magic, sociology, sound-fiction, post-humanism and science fiction, the works form an environment thatembraces speculative, vitalist and queer-feminist perspectives while constituting and constructing discursive embodiments.


Aliens are temporary – a mutating tale emerges from one space into another over four mutations. The first three mutations take place at the Kunstraum Kreuzberg/Bethanien and the fourth mutation at Kunstbrücke am Wildenbruch, creating a common place from an intimate distance. Starting from an initially sparse and minimally used exhibition space, different artworks progressively arise with each new mutation, creating new constellations of objects and environments in the process.This material tale made up of multiple beings and worlds reveals how different contexts for things add, subtract and mutate their meanings. Each of the mutations in Aliens are temporary is accompanied by a literary text inspired by the works that make them possible. This expands the curatorial voice to more voices and highlights the importance of fiction when engaging with reality. A public programme of becomings, including talks, a reading group, a screening, a listening session, a walk through the public space and a contextural interference, will also animate the four mutations during their lifetime. With this project we welcome you into a tale that could depart with „once upon many times“.

Ausstellung „Aliens are temporary –
eine mutierende Erzählung“
Photo by Eric Tschernow

Ausstellungseröffnung „Aliens are temporary –
eine mutierende Erzählung“
Photo by Dani Hasrouni

Ausstellung „Aliens are temporary –
eine mutierende Erzählung“
Photo by Eric Tschernow

Ausstellungsansicht
Aliens are Teporary
photo by Eric Tschernow

Lucía C. Pino
La Lirio (dobLe eLe, II), 2022
Photo by Eric Tschernow

Ausstellungsansicht
Aliens are Teporary
photo by Eric Tschernow

Silvia Noronha and Niko de Paula Lefort
Sensible fields, 2022
Photo by Eric Tschernow

Ally Bisshop
There are patterns 2015
Photo by Dani Hasrouni

Ally Bisshop
There are patterns 2015
Photo by Eric Tschernow

Ausstellungsansicht
Aliens are Teporary
photo by Eric Tschernow

Ausstellungsansicht
Aliens are Teporary
photo by Eric Tschernow

Juli Schmidt
Bis irgendwann oder vielleicht nie wieder, 2022
Photo by Eric Tschernow

Juli Schmidt
Bis irgendwann oder vielleicht nie wieder, 2022
Photo by Dani Hasrouni

Juli Schmidt
Bis irgendwann oder vielleicht nie wieder, 2022
Photo by Dani Hasrouni

Sally von Rosen
Redips,2021
Photo by Eric Tschernow

Sally von Sally von Rosen
Redips,2021
Photo by Eric Tschernow

Ausstellungsansicht
Aliens are Teporary
photo by Eric Tschernow

Nona Inescu
Venus Traps „Dionaea muscipula“, 2021
Photo by Eric Tschernow

Nona Inescu
Venus Traps „Dionaea muscipula“, 2021
Photo by Dani Hasrouni

Nona Inescu
Venus Traps „Dionaea muscipula“, 2021
Photo by Dani Hasrouni

Nona Inescu
Nepenthes, 2021
Photo by Dani Hasrouni

Nona Inescu
Nepenthes, 2021
Photo by Eric Tschernow

Pakui Hardware
Skewed Taxonomy, 2021
Photo by Eric Tschernow

Pakui Hardware
Skewed Taxonomy, 2021
Photo by Eric Tschernow

Pakui Hardware
Skewed Taxonomy, 2021
Photo by Eric Tschernow

Ally Bisshop
Echoes & Nymphs, 2022
Photo by Dani Hasrouni

Ally Bisshop
Echoes & Nymphs, 2022
Photo by Eric Tschernow

Ally Bisshop
Echoes & Nymphs, 2022
Photo by Dani Hasrouni

Denise Ferreira da Silva and Arjuna Neuman
Serpent Rain, 2016
Photo by Dani Hasrouni

Ran Zhang
The Millionth Generation, 2022
Photo by Eric Tschernow

Sadie Weis
PLASMATIC, 2019
Photo by Eric Tschernow

Sadie Weis
PLASMATIC, 2019
Photo by Eric Tschernow

Emily Hunt,
2022
Photo by Eric Tschernow

Emily Hunt,
2022
Photo by Eric Tschernowv

MELT „Ren Loren Britton and Isabel Paehr“
Patching Concrete, Sites of Heat, 2021,2022
Photo by Dani Hasrouni

47MELT „Ren Loren Britton and Isabel Paehr“
Patching Concrete, Sites of Heat, 2021,2022
Photo by Eric Tschernow

Vera Kox
…into deliquescence, 2021
Photo by Eric Tschernow